Fotos: Ruth Weinhold-Heße

Susann Oßmann hilft dabei, Kompetenz für den eigenen Körper zu entwickeln

Kompetenz für den eigenen Körper entwickeln – dabei will Susann Oßmann Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen helfen. Die Leiterin des Zentrums für Sexuelle Bildung in Leipzig geht dazu auch in Schulklassen – im Auftrag der Kirche.
Wo Susann Oßmann auftaucht, wird es schnell sehr persönlich, denn immerhin geht es bei der Leiterin des Zentrums für Sexuelle Bildung am Elisabeth Krankenhaus in Leipzig um viel Intimes. Ihre offene, direkte Art trägt dazu bei, dass es nicht peinlich wird, wenn es um „ganz natürliche körperliche Entwicklungen“ geht. So auch kurz vor den Sommerferien in der Grundschule Liebschützberg in dem kleinen Örtchen Schönnewitz im Landkreis Nordsachsen.


Acht Jungen der vierten Klasse sitzen im Halbkreis und gehen auf „Entdeckungsreise ins Innere der Körper-Wunder-Werkstatt“ – wie es an der Tafel heißt. Susann Oßmann hat auf dem Boden aus blauem und rotem Samtstoff männliche und weibliche Geschlechtsorgane gelegt, an denen sie vorführt, auf welche Wanderung Spermien gehen. Sie erklärt kindgerecht und sehr einfühlsam: „Die Aufgabe der Spermien ist es, neues Leben entstehen zu lassen.“ Nährstoffe verbildlicht sie mit Bonbons, Eizellen sind kleine goldene Perlen. „Wenn sich Eizelle und Spermien verbinden, dann vermischen sich zwei halbe Baupläne und es entsteht ein neues Leben, wie es das noch nie vorher gab und nicht wieder geben wird“, sagt sie zur Musik einer kleinen Spieluhr. Eine feierliche Dramatik entsteht: „So bist auch du entstanden.“
Ab und zu gibt es Gekicher bei den zehn- bis zwölfjährigen Jungen. Aber Susann Oßmann holt sie dort ab, wo sie Fragen haben und von sich aus erzählen, auch an diesem Morgen: einer fragt, wie das Gehirn des Embryos wächst, ein anderer, ob man sich an die Zeit als Baby im Bauch der Mutter erinnern kann, ein dritter erzählt, dass er ein Frühchen war.

„Wir benennen alles klar“, sagt Susann Oßmann im Gespräch nach dem Schul­unterricht, „damit jeder selbstbestimmt eine Entscheidung treffen kann. Das sind nicht nur Geschlechtsteile, sondern in Kursen für ältere Schüler auch Verhütungsmittel.“ Dabei gehe es aber auch darum, wie Beziehungen gut gelingen. Und es geht dabei auch um Prävention, denn „nur, was ich benennen kann, kann ich auch schützen“, so Oßmann.


Grundschullehrerin Elisa Ziegler hat Susann Oßmann mit der Körper-Wunder-Werksatt vor fünf Jahren das erste Mal in die staatliche Schule eingeladen und seitdem nutzen alle Lehrer der jeweils vierten Klasse das Angebot, das vom Bistum Dresden-Meißen unterstützt wird. „Für die Themen Gesundheit, Körper und Pubertät sind im sächsischen Lehrplan nur sehr wenige Stunden vorgesehen, aber es ist Pflicht“, erklärt die Lehrerin.


Das Zentrum für Sexuelle Bildung am Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig feiert in diesem Jahr sein 40. Jubiläum. Schon 1983 wollte man dort Frauen beraten, wie sie die Natürliche Familienplanung anwenden können. Der Schulunterricht ist nur ein Teil des Kursangebotes. Oßmann arbeitet seit 2018 als Leiterin dort und sieht einen klaren Auftrag der Kirche: „Wir sprechen nicht plakativ von Gott, aber jedes Kind soll spüren: ‚Ich bin etwas Besonderes.‘“ Das sei Kern der christliche Botschaft. „Einzigartig, das sind wir“, gibt sie den Jungen am Ende mit auf den Weg.

Ruth Weinhold-Heße

Dieser Artikel wurde zuerst unter https://aussicht.online/koerper-wunder-werksatt-2023 veröffentlicht.